Zirkulation der Atmosphäre

Zirkulation der Atmosphäre
Zirkulation der Atmosphäre,
 
planetarische Zirkulation, die Gesamtheit aller großräumigen Luftbewegungen auf der Erde. Aus der unterschiedlichen Verteilung der Wärme auf der Erde und der daraus resultierenden Luftdruckverteilung ergeben sich Luftströmungen, die unter der Einwirkung der Erdrotation und der Reibungskraft zu einer komplizierten atmosphärischen Zirkulation führen. Sie übernimmt den meridionalen Wärmetransport von den tropischen Wärmeüberschuss- zu den polaren Wärmedefizitgebieten. Aber auch warme und kalte Meeresströmungen sind an der Aufrechterhaltung einer im Mittel ausgeglichenen Wärmebilanz des Systems Erde-Atmosphäre beteiligt. Motor dieser Zirkulation der Atmosphäre ist die Energie der Sonnenstrahlung (Strahlung 1).
 
Auf der rotierenden Erde werden die Luftströmungen, die durch die unterschiedliche Erwärmung der Erdoberfläche und die daraus resultierende Luftdruckverteilung entstehen, v. a. durch die ablenkende Kraft der Erdrotation (Coriolis-Kraft) und die Erhaltung des Drehimpulses modifiziert. Dadurch wird auf der Nordhalbkugel die vom Äquator nordwärts strömende Luft immer mehr nach Osten (nach rechts) abgelenkt, sodass schließlich ein Westwind entsteht, während die vom Pol ausgehenden Nordwinde zunehmend nach Westen (nach rechts) zu Ostwinden umbiegen (auf der Südhalbkugel in umgekehrter Richtung). Unter dem Einfluss der Erdrotation kann deshalb ein direkter Wärmeaustausch zwischen dem Äquator und dem Pol, wenn überhaupt, nur in sehr abgeschwächter oder modifizierter Form zustande kommen.
 
Der meridionale Wärmetransport vollzieht sich hauptsächlich in drei Zirkulationsgliedern, die teilweise ineinander greifen, und zwar in tropischen und polaren Hadley-Zellen sowie in der Ferrel-Zirkulation.
 
In den tropischen Hadley-Zellen steigt die in der innertropischen Konvergenzzone zusammengeströmte, stark erwärmte und überwiegend feuchte Luft in die Höhe und fließt polwärts ab, wobei ihre Westwindkomponente aufgrund der Coriolis-Kraft immer mehr zunimmt. Jenseits von etwa 15º nördliche Breite sinkt die Luft großräumig ab, im Jahresmittel im gesamten Subtropenbereich (bis etwa 35º nördliche Breite). In diesem Divergenzgebiet befindet sich der subtropische Hochdruckgürtel, aus dem die Luft äquatorwärts als Passat und polwärts in die Westwindzone der gemäßigten Breiten abfließt. Die polaren Hadley-Zellen, besonders am Nordpol, sind weniger beständig und intensiv als die in den Tropen. In den polaren Hochdruckgebieten sinkt die durch Ausstrahlung stark abgekühlte Luft ab und strömt in Bodennähe auseinander, wobei östliche Winde vorherrschen. Zum Ersatz muss in der Höhe Luft polwärts transportiert werden.
 
Zwischen den tropischen und polaren Zirkulationszellen entwickeln sich in den gemäßigten Breiten, etwa zwischen 35º und 65º nördliche Breite, andere Zirkulationsformen, die durch Wirbel mit senkrechter Achse - zyklonal oder antizyklonal rotierend - gekennzeichnet sind (Ferrel-Zirkulationen, Ferrel-Zelle, Ferrel-Typ). Die in der Westwinddrift von Westen nach Osten wandernden Tief- und Hochdruckgebiete entstehen an der Polarfront, wo sich v. a. im Winterhalbjahr ein starkes meridionales Temperaturgefälle ausbildet. Auf der Vorderseite der Zyklonen oder der Höhentröge werden mit südlichen Winden warme Luftmassen nach Norden und auf ihrer Rückseite mit nördlichen Winden Kaltluftmassen nach Süden transportiert. Bei dieser thermisch indirekten oder dynamischen Zirkulation wird die in der subpolaren Tiefdruckrinne aufsteigende Luft in höheren Schichten zum Teil südwärts verfrachtet, sinkt im subtropischen Hochdruckgürtel ab und kehrt von hier aus als Ausgleichsströmung zur subpolaren Tiefdruckrinne zurück. Wie in den Hadley-Zellen wird auch bei diesen Zirkulationen potenzielle Energie in kinetische Energie umgewandelt.
 
Nach heutiger Auffassung sind die Zyklonen und Antizyklonen der Westwindzone und die mit ihnen verbundenen langen Wellen in der Höhenströmung keine »Störungen«, sondern wesentliche Bestandteile der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation, indem sie mit ihren Luftmassentransporten immer von neuem die strahlungsbedingten Temperaturgegensätze zwischen südlichen und nördlichen Breiten verringern und damit die Herstellung einer ausgeglichenen Wärmebilanz ermöglichen.
 
Die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre kann schematisch durch das planetarische Luftdruck- und Windsystem dargestellt werden.
 
Die mittlere Luftdruckverteilung am Boden ist auf jeder Halbkugel durch vier Luftdruckgürtel gekennzeichnet, die annähernd parallel zu den Breitenkreisen angeordnet sind:
 
1) äquatoriale Tiefdruckrinne im Bereich des thermischen Äquators bei 10 bis 15º nördliche Breite (Nordsommer) und bei 5º südliche Breite (Nordwinter). Sie deckt sich mit der innertropischen Konvergenzzone, die, dem Sonnenhöchststand folgend, auf den Festländern weit nach Norden und Süden wandern kann. Ihre mittlere Lage befindet sich bei 5º nördliche Breite;
 
2) subtropischer Hochdruckgürtel zwischen 25º und 40º nördliche Breite beziehungsweise 25º und 35º südliche Breite, die in mehrere Hochdruckzellen aufgespalten sind (z. B. Azorenhoch, Pazifikhoch);
 
3) subpolare Tiefdruckrinnen zwischen 50 und 70º Breite (Hauptaktionszentren auf der Nordhalbkugel: Islandtief und Aleutentief);
 
4) polare Hochdruckzonen zwischen 70 und 90º Breite.
 
Aufgrund dieser Druckverteilung ergeben sich unter dem Einfluss der Erdrotation u. a. Faktoren (Reibungskraft, Land-und-Meer-Verteilung, Beschaffenheit der Erdoberfläche) mehr oder weniger beständige Windsysteme:
 
1) vorwiegend schwache östliche, gelegentlich auch westliche Winde in der äquatorialen Tiefdruckrinne; 2) beständige Passate (Nordost- beziehungsweise Südostpassat) zwischen den subtropischen Hochdruckgürteln und der äquatorialen Tiefdruckrinne; 3) vorwiegend westliche Winde zwischen den subtropischen Hochdruckgürteln und den subpolaren Tiefdruckrinnen (Westwindzone der gemäßigten Breiten); 4) vorherrschend östliche Winde zwischen den polaren Hochdruckgebieten und den subpolaren Tiefdruckrinnen (polare Ostwinde).
 
Die zonale Gliederung des planetarischen Luftdruck- und Windsystems unterliegt aufgrund der Land-und-Meer-Verteilung starken jahreszeitlichen Schwankungen. Diese wirken sich v. a. auf der Nordhalbkugel mit ihren großen Landmassen aus, die sich beim Übergang vom Winter zum Sommer immer mehr aufheizen und sich umgekehrt im Winter viel stärker abkühlen als die Ozeane. Als Folge davon bilden sich im asiatischen Raum die Monsunzirkulationen aus. Der jahreszeitliche Einfluss kommt auch in der mittleren vertikalen Windverteilung zum Ausdruck. Auf der Nordhalbkugel überwiegen im Winter westliche Winde bis in die Stratosphäre, während im Sommer Westwinde etwa bis 20 km Höhe auftreten (darüber wehen östliche Winde). Auf der Südhalbkugel findet man annähernd spiegelbildliche Verhältnisse: im Sommer westliche Winde bis in die Stratosphäre, im Winter Westwinde bis etwa 20 km Höhe (darüber östliche Winde). Im inneren Tropenbereich herrschen allgemeine östliche Winde bis in große Höhen vor. Die polaren Ostwinde sind in beiden Hemisphären auf die untersten 2 bis 3 km beschränkt.
 
Literatur: Klima.

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Atmosphäre: Aufbau, Zusammensetzung, Energiehaushalt —   Häufig werden die Begriffe Luft und Atmosphäre gleichgesetzt, was aber bei genauerer Betrachtung nicht richtig ist. Die Luft ist nämlich nur ein Teil der Atmosphäre, wenn auch ein wesentlicher, der sich aus einer Vielzahl von Gasen… …   Universal-Lexikon

  • Atmosphäre — Ambiance (schweiz.); Stimmung; Flair; Ambiente; Klima; Atmo (umgangssprachlich); Lufthülle * * * At|mo|sphä|re [atmo sfɛ:rə], die; : 1. Luft, die die Erde als Hülle umgibt: der Satellit verglüht beim Eintritt in die Atmosphär …   Universal-Lexikon

  • Klima und atmosphärische Zirkulation —   Die räumlich unterschiedliche Strahlungsbilanz der Erdoberfläche mit einem Energieüberschuss in den Tropen und einem Defizit in den Polargebieten und die sich daraus ergebenden Temperaturunterschiede setzen sowohl in der Atmosphäre als auch in… …   Universal-Lexikon

  • Allgemeine Zirkulation — vereinfachtes Schema der globalen Zirkulation Die planetarische Zirkulation, oder auch allgemeine, planetare oder globale Zirkulation (englisch: general circulation, global circulation), ist eine Sammelbezeichnung für atmosphärische… …   Deutsch Wikipedia

  • Atmosphärische Zirkulation — vereinfachtes Schema der globalen Zirkulation Die planetarische Zirkulation, oder auch allgemeine, planetare oder globale Zirkulation (englisch: general circulation, global circulation), ist eine Sammelbezeichnung für atmosphärische… …   Deutsch Wikipedia

  • Globale Zirkulation — vereinfachtes Schema der globalen Zirkulation Die planetarische Zirkulation, oder auch allgemeine, planetare oder globale Zirkulation (englisch: general circulation, global circulation), ist eine Sammelbezeichnung für atmosphärische… …   Deutsch Wikipedia

  • Planetare Zirkulation — vereinfachtes Schema der globalen Zirkulation Die planetarische Zirkulation, oder auch allgemeine, planetare oder globale Zirkulation (englisch: general circulation, global circulation), ist eine Sammelbezeichnung für atmosphärische… …   Deutsch Wikipedia

  • Planetarische Zirkulation — Vereinfachtes Schema der globalen Zirkulation Die planetarische Zirkulation, oder auch allgemeine, planetare oder globale Zirkulation (englisch: general circulation, global circulation), ist eine Sammelbezeichnung für atmosphärische… …   Deutsch Wikipedia

  • Walker-Zirkulation —   [ wɔːkə ; nach dem britischen Meteorologen Sir Gilbert Walker, * 1868, ✝ 1958], Zirkulation der Atmosphäre über dem tropischen Pazifik, verursacht durch unterschiedliche Oberflächentemperatur des Ozeans: Über dem kalten Humboldtstrom wird die… …   Universal-Lexikon

  • Folgen der globalen Erwärmung — Eine Karte der prognostizierten globalen Erwärmung zum Ende des 21. Jahrhunderts. In diesem verwendeten HadCM3 Klimamodell beträgt die durchschnittliche Erwärmung 3 °C. Bis 2100 wird sich die Erde nach Angaben des IPCC um 1,1 bis 6,4 °C …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”